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Stirner-Studien, Band 3:
Bernd A. Laska: "Katechon" und "Anarch"


Ernst Jünger - Anarch und Katholik
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Zur Konversion des "Anarchen" Ernst Jünger
vom "Stirnerianismus" zum römischen Katholizismus

von Bernd A. Laska

ein verspäteter Epilog
zu meinem Buch
"Katechon" und "Anarch"


Als 1977 Ernst Jüngers Buch »Eumeswil« erschien -- in dem der 80-jährige unter dem Einfluss von Stirner die Gestalt des "Anarchen" schuf (mit der er sich weitgehend identifizierte) -- pries Armin Mohler es als dasjenige Buch Jüngers, in dem er zum Ende seines Lebens "das Gebäude seiner Weltweisheit" errichtet habe. (1) Dennoch gab es in der Jünger-Literatur bisher nur sehr zurückhaltende Versuche der Interpretation dieses Werkes und insbesondere der zentralen Rolle, die Stirner darin hat. Die Figur des Anarchen indes wurde schnell populär, allerdings nur als Schlagwort und ohne dass dessen von Jünger explizit gegebener Bezug zu Stirners Figur des "Eigners" beachtet wurde. Meine einschlägige Schrift "Katechon" und "Anarch" (UT: Carl Schmitts und Ernst Jüngers Reaktionen auf Max Stirner), die im April 1997 erschien, blieb, bis auf eine leider recht bornierte Rezension in der FAZ, unbeachtet. Deshalb habe ich mich seither kaum mehr mit Jünger und der Literatur über ihn befasst.

Als ich kürzlich (Januar 2006) von einem britischen Stirner-Freund die -- wie mir schien: etwas besorgte -- Anfrage bekam, ob es denn stimme, was er als unbelegte Behauptung gelesen habe: dass Ernst Jünger im hohen Alter zum Katholizismus konvertiert sei, musste ich erst selbst recherchieren und wurde dank Internet auch schnell fündig. In einer mailing list (http://www.juenger.org/mailarchive/4_2001/msg00033.php) gibt der Jünger-Experte Tobias Wimbauer am 28. April 2001 fundierte Auskunft zur Frage. Ich gebe sie hier etwas gekürzt wieder:

"EJ konvertierte am 26. September 1996 in der Kirche St. Nepomuk zum Katholischen Glauben. Seine Frau, Dr. Liselotte Jünger, war übrigens bei der Zeremonie nicht zugegen. Carl Alexander Jünger [Sohn EJs] wurde übrigens katholisch getauft (Taufpate war Carl Schmitt), Ernstel Jünger [Sohn EJs] evangelisch.
[ ... ]
Sympathien zur Katholischen Heilslehre (und für den Ritus!) ziehen sich durch fast das ganze Werk Jüngers. Sei es in den 'Strahlungen', sei es in 'Siebzig verweht' (z.B. in S.V. I, 29. Juni 1968), oder der Pater Lampros in den 'Marmorklippen'. Zur Skepsis gegenüber der Entwicklung des Protestantismus sei beispielsweise Jüngers Roman 'Die Zwille' konsultiert."

Wimbauer gibt zur näheren Information einige Literaturhinweise (2) und zitiert aus einem der Artikel, verfasst von Erik Ritter von Kuehnelt-Leddihn (1909-1999):

"Ich bin betrübt über den Tod von Ernst Jünger, den ich öfters besucht und mit dem ich oft korrespondiert hatte. Er stand unserem Glauben immer schon nahe und wollte sogar seinen Sohn Ernst katholisch taufen lassen, was aber seine erste Frau verhinderte. Ich selbst figuriere einige Male in seinem Tagebuch (1981-1985) »Siebzig verweht« im Zusammenhang mit der "unbefleckten Empfängnis", die er (wie auch die meisten Katholiken) missverstand. Fleissig betete ich für seine Konversion, die im Jahre 1996 stattfand, aber nicht der Öffentlichkeit kundgetan wurde. Er wurde natürlich auch gut katholisch begraben. Er war ein brillanter Mann. Ich hielt ihn für den grössten deutschen Schriftsteller und vielleicht war er in Frankreich (dort zumeist kurz E.J. genannt) noch berühmter und wurde mehr verehrt als in Deutschland."

Ich war durch diese für mich neuen Nachrichten zwar überrascht, aber nicht verwundert. Im Gegensatz zu jenen Stirner-Freunden, die in Jüngers "Anarchen" Stirners "Eigner" erkannten und die prominente Bekräftigung ihrer weltanschaulichen Position begrüssten, habe ich zuerst in einem Beitrag zum Stirner-Kongress in Nápoli (1994), dann in einem eigenen Kapitel meines Buches »Ein dauerhafter Dissident« (1996) und schliesslich ausführlicher in der Carl Schmitt und Ernst Jünger gewidmeten Studie »'Katechon' und 'Anarch'« (1997) nachdrücklich dargestellt, dass und inwiefern Jünger Stirner grundlegend verfehlt hat. (3)

Die Konversion des Anarchen zum Katholiken, die erst nach Jüngers Tod am 17. Februar 1998 bekannt wurde, ist deshalb ein ausgezeichnet passender Epilog zu meinem Buch.


Anmerkungen:

(1) Armin Mohler: Rezension von Jüngers »Eumeswil«. In: Criticón, Nr. 45, Jan./Feb. 1978, S. 2

(2) Artikel über Ernst Jüngers Konversion:

  • Erich Kock: Wer mehr erfahren will, muss den Tod wagen - Ernst Jünger.
    In: Internationale [katholische] Zeitschrift Communio. Nr. 27/1998, S. 272-282;
  • Gerhard Adler: "Die grossen Wanderungen jenseits der Zeit". Metaphysisches bei Ernst Jünger.
    In: Grenzgebiete der Wissenschaft, 47 Jg., Nr. 4/ 1998, S. 331-342;
  • Erik v. Kuehnelt-Leddihn: "Alle Wege führen nach Rom." Der Schriftsteller Ernst Jünger wurde katholisch.
    In: Timor Domini, [Organ d. Schweizerischen Bewegung für Papst und Kirche]. 12. Juni 1998, S. 3;
  • Heimo Schwilk / Uwe Wolff: Die Konversion. Ernst Jünger und der Katholizismus.
    In: Welt am Sonntag, Nr. 13 vom 28. März 1999, S. 33-34
    (zuvor in: Gegengift. Zeitschrift für Politik und Kultur, 11. Jg., 1999, Heft 7, S. 18-29);
  • Helmuth Kiesel: Eintritt in ein kosmisches Ordnungswissen. Zwei Jahre vor seinem Tod: Ernst Jüngers Konversion zum Katholizismus.
    In: Frankfurter Allgemeine Zeitung, Nr. 74 vom 29. März 1999, S. 55;
  • Bernhard Gajek: La onzième heure d'Ernst Jünger. In: Catholica. Revue trimestrielle, numéro 63, Printemps 1999, pp. 98-103

(3) Meine Arbeiten zum Verhältnis Ernst Jüngers zu Max Stirner:

  • "Katechon" und "Anarch". Carl Schmitts und Ernst Jüngers Reaktionen auf Max Stirner.
    In: AA. VV.: Atti del convegno "Max Stirner e l'individualismo moderno", a cura di Enrico Ferri. Nápoli: CUEN, pagg. 393-434;
  • Der (nonchalant) Adorierte. In: Ein dauerhafter Dissident. 150 Jahre Stirners »Einziger«. Eine kurze Wirkungsgeschichte. Nürnberg: LSR-Verlag 1996 (Stirner-Studien, Band 2), S. 90-92
  • "Katechon" und "Anarch". Carl Schmitts und Ernst Jüngers Reaktionen auf Max Stirner. Nürnberg: LSR-Verlag 1997 (Stirner-Studien, Band 3); (stark erweiterte Fassung des o.g. Kongress-Beitrags)

16. Februar 2006


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