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»Aufgespiesst !«
zu Wilhelm Reich

Autoren:


Erich Fromm
Otto Fenichel
Caroline Neubaur
Tilmann Walter
Katharina Rutschky
Michael Rutschky
Ursula Pia Jauch
Jean-Claude Guillebaud
Elizabeth Heymann-Gerö
Reimut Reiche
Bernulf Kanitscheider
Leo Raditsa
Günter Amendt

 


Erich Fromm

Brief Erich Fromms an Otto Fenichel vom 19.3.1936 (Auszug)
erstmals veröffentlicht in:
Otto Fenichel: 119 Rundbriefe, hg. v. Johannes Reichmayr und Elke Mühlleitner.
2 Bände. Frankfurt/M-Basel: Stroemfeld 1999. S. 369-372

Fenichel hatte zuvor zu Fromms Arbeit "Die gesellschaftliche Bedingtheit der psychoanalytischen Therapie" (Zeitschrift für Sozialforschung, Jg. 4, Heft 3,1935) in einem Brief an Fromm eher nebenbei bemerkt, "dass so vieles, was Sie ausführen, mit den Gedankengängen Reichs vollkommen übereinstimmt, ohne dass Sie ihn ... nennen." (ebd., S. 352)

Darauf Fromm:
»Nun endlich zu Reich: Ich weiss nicht, mit welchen Gedankengängen Reichs ich in diesem Aufsatz vollkommen übereinstimme. Ich habe schon seit langer Zeit nichts mehr von Reich gelesen und sicher ist in meinen Gedanken nichts, was ich von Reich übernommen hätte. [...] Ich muss gestehen, dass mir das Zitieren von Reich keine Freude mehr macht, sowohl aus persönlichen wie aus sachlichen Gründen. Aus persönlichen Gründen deshalb, weil mir seine pathologische Eigenliebe und Ehrgeiz recht unerträglich geworden ist. Dieses Schulegründen um jeden Preis und unbescheidene messianische Getue passen schlecht zu den Problemen, die unsere Zeit stellt, und zur politischen Haltung, die er zu vertreten meint. [...] Der sachliche Grund, warum mir das Zitieren von Reich immer etwas bedenklich ist, ist der, dass ich den Eindruck habe, dass trotz der scheinbaren Ähnlichkeiten des Standpunktes, er fundamental andere Gedankengänge vertritt. Als politischen Typ halte ich ihn für einen ausgesprochenen Anarchisten... [...] Den Marxismus hat er in Wirklichkeit nie kapiert.«
(Hervorheb. B.A.L.)

Fromm, der damals als marxistischer Psychoanalytiker für das exilierte "Institut für Sozialforschung" tätig war, vermied es -- wie dessen Leiter, die "kritischen Theoretiker" Horkheimer und Adorno -- seine Kritik an dem damals ebenfalls als marxistischer Psychoanalytiker auftretenden Reich öffentlich zu äussern.
Zu weiteren stillschweigenden "Adaptionen" Reich'scher Gedanken durch Fromm in seinen Erfolgsbüchern "Escape from Freedom" (1941; dt. "Die Furcht vor der Freiheit" 1945) und "Man for Himself" (1947; dt. "Psychoanalyse und Ethik" 1954) siehe meinen Artikel Über Erich Fromm (1979).

9.3.1999
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Otto Fenichel

Antwortbrief Otto Fenichels an Erich Fromm [Ende März 1936] (Auszug)
erstmals veröffentlicht in:
Otto Fenichel: 119 Rundbriefe, hg. v. Johannes Reichmayr und Elke Mühlleitner.
2 Bände. Frankfurt/M-Basel: Stroemfeld 1999. S. 372-374

»...bin ich mit dem, was Sie über Reich schreiben, [s.o.] vollkommen einverstanden.«

9.3.1999
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Caroline Neubaur

Rezension von:
Otto Fenichel: 119 Rundbriefe. Hg.v. Elke Mühlleitner und Johannes Reichmayr. Frankfurt/M-Basel: Stroemfeld-Verlag 1998.
In: Süddeutsche Zeitung, 30./31.1.1999, "SZ am Wochenende", S. V

(Die Autorin ist Religionswissenschaftlerin. Zuletzt von ihr: der Artikel "Todestrieb" in "Historisches Wörterbuch der Philosophie", Band 10, 1998 -- in dem sie den Konflikt Sigmund Freud contra Wilhelm Reich, der sich [1926]1932-1934 an der Frage des Todestriebs entzündete und bis heute nachwirkt, nicht erwähnt.)


»Fenichel war ein "linker" Analytiker, aber er war nicht Reich, dessen Berufung das Spintisieren war.«

(Die einzige Erwähnung Reichs in dem 3-spaltigen Artikel über ein Werk, in dem der "Fall Reich" eine wichtige Rolle spielt)


Neubaur hat schon vor zwei Jahrzehnten angeprangert, was sie als das sinistre Werk des "paranoisch-psychotischen" Reich, eines "Idols von gestern", ansah:
»...die blinde, brutale Reduktion der menschlichen Sexualität auf eine körperliche Funktion, die alle mühsamen Errungenschaften der Psychoanalyse mit einem Besenstrich wieder in den Orkus kehrt.«
In: Frankfurter Allgemeine Zeitung, 17.10.1978

8.5.1999
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Tilmann Walter

Plädoyer für die Abschaffung des Orgasmus
In: Zeitschrift für Sexualforschung, Jg. 12, Heft 1, März 1999, S. 25-49
Hervorzuheben ist der Ort des Erscheinens, eine "peer-reviewed" sexuologische Fachzeitschrift, herausgegeben von Volkmar Sigusch, Gunter Schmidt u.a.
(zu Sigusch siehe hier, zu Sigusch, Schmidt u.a. zeitgenössischen Sexuologen hier)

Der Autor beruft sich vornehmlich auf Michel Foucault und resümiert:
»"Zum Orgasmus zu kommen" ist lebensweltlich inzwischen längst zu einem Zwang geworden. Das gibt Anlass zur Vorsicht gegenüber einer Aufklärungsliteratur, die für orgastischen "Spass am Sex" wirbt, denn der Orgasmus ist ein normatives Konstrukt und als Zaubermittel individueller Zufriedenheit untauglich.«

Walter fand auch die Quelle dieses Übels:
»Erinnert sei namentlich an die "sexuelle Revolution" Wilhelm Reichs, die ja nicht nur ein eng begrenztes heterosexuelles und genitales Ideal intimer Beziehungen, sondern auch die genaue Form der wünschenswerten Kontraktionen der Unterleibsmuskulatur normativ vorgibt: Gesetzt, der regelrecht ausgeführte und erlebte Orgasmus würde gesellschaftliche Realität, wäre für Wilhelm Reich jedes politische, soziale und individuelle Problem lösbar. Die zugleich metaphysische wie politische Überhöhung des korrekt exekutierten Orgasmus in der theoretischen Welt Wilhelm Reichs ... «

27.5.1999


Schon früher hatte Walter, ein studierter Germanist, "gegen den Orgasmus" agitiert, so z.B. 1997 auf einer Tagung der Deutschen Gesellschaft für Psychohistorische Forschung e.V., wo er seinem Vortrag den Titel gab:
»Lust, 'Sexualität' und Sprache am Beginn der Neuzeit, oder: als der Orgasmus noch nicht erfunden war.«
Vgl.: Edmund Hermsen (Hg.): Die psychohistorische Dynamik von subkulturellen Bewegungen am Ende des Jahrtausends (Tagungsband). Heidelberg: Textstudio Gross, 1997

Seit Oktober 2002 ist der Germanist Walter am Institut für Geschichte der Medizin der Universität Heidelberg tätig. Als Medizinhistoriker behält er freilich weiter Wilhelm Reich im Visier, so z.B., als er auf dem XL. Symposium der Gesellschaft für Wissenschaftsgeschichte (29.-31.5.2003 in Heidelberg) den Vortrag hielt:
»Orgasmen, das Leben und fliegende Untertassen - Wahrheit, Betrug und Selbstbetrug im Werk von Wilhelm Reich.«

14.2.2004
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Katharina Rutschky

Rezension von:
Harry Mulisch: Das sexuelle Bollwerk. Sinn und Wahnsinn von Wilhelm Reich. München: Hanser 1997
In: Frankfurter Rundschau, 19.3.1997, "Literatur-Rundschau", S. 9 (vgl. meine Mulisch-Rezension)

Nachdem Rutschky vor ein paar Jahren noch Reich als "Regenmacher" (FAZ, 26.7.1995) verspotten zu müssen meinte, fand sie nun dank Harry Mulisch zu einem lockereren Verhältnis zu Reich als einer ihrer "Jugendtorheiten":

»Wer in fernen Studententagen (wie ich) aus damals gegebenen Anlässen -- Kampf der sexuellen Repression, Auseinandersetzung mit dem Nationalsozialismus und Aneignung des antifaschistischen Erbes der Emigranten -- auch einmal Reichianer war, findet [bei Mulisch] Reichs jugendlich grobe Adaption der Psychoanalyse und seine dramatische Politisierung der Sexualität so wundersam gespiegelt und erläutert wie sonst nirgends. Mulisch erspart es dem älteren Leser, sich seiner Jugendtorheiten zu schämen ... «
Deshalb meint Rutschky auch, dass in dem von ihr nur kurz erwähnten Sammelband, den Karl Fallend und Bernd Nitzschke herausgaben ("Der 'Fall' Wilhelm Reich", Frankfurt/M: Suhrkamp 1997 -- stw 1285),
»eigentlich alte Schlachten geschlagen [werden], über deren Ausgang kein Zweifel mehr bestehen kann. | Reichs Austritt oder Ausschluss aus den psychoanalytischen Vereinigungen, wie vereinsmeierisch-intrigant er [auch] in Szene gesetzt wurde, macht doch im Licht seiner späteren Entwicklung einen guten Sinn.«

12.6.1999
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Michael Rutschky

Rezension von:
Jan Bürger: Der gestrandete Wal. Das masslose Leben des Hans Henny Jahnn.
Berlin: Aufbau Verlag, 2003
In: Frankfurter Rundschau, 24.5.2003


Auch Michael Rutschky, gelegentlich als "Chronist der 68er" bezeichnet, drängt es, seine heutige Haltung gegenüber Reich hervorzukehren, natürlich ganz beiläufig und in spöttelndem Ton:

»Die germanistische Attitüde verbietet es Jan Bürger, aus dem krass Absurden und Lächerlichen von Hans Henny Jahnns Interessen und Aktivitäten erzählerischen Effekt zu schlagen. Wie man so etwas macht, ohne seinem seltsamen Helden Respekt und Sympathie zu verweigern, zeigte Harry Mulisch exemplarisch in seinem Essaybuch über Sinn und Unsinn bei Wilhelm Reich, Das sexuelle Bollwerk, 1973 (Rowohlt Taschenbuch 1999). Was Reich sich von seiner kosmischen Energie namens Orgon erhoffte, liegt Hans Henny Jahnns Phantasien über die Hormone und die Harmonie der Weltordnung wohl nicht so ferne.
[ ... ]
Während von Wilhelm Reichs Ende im alleinseligmachenden Orgon nichts übrig bleibt als traurige Gedanken an ein einstiges Genie (und Harry Mulischs lehrreich-komisches Buch), kann man die Ugrino-Religion, die Hormonkur, [den Stutenkult,] die Rettung der Menschheit durch Orgelmusik von Hans Henny Jahnns literarischem Werk gut unterscheiden.«

02.06.2005
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upj [Ursula Pia Jauch]

Revolution, sexuelle
Kurzrezension von: Jean-Claude Guillebaud: Die Tyrannei der Lust. München: Luchterhand-Literaturverlag 1999
In: Neue Zürcher Zeitung, 14./15.8.1999, S. 36
"Aufgespiesst" hier nur deshalb, weil Ursula Pia Jauch Autorin von dem voluminösen und wohl für einige Zeit populärsten Buch über La Mettrie, Jenseits der Maschine (1998), ist
-- zum besseren Verständnis ihrer Interpretation La Mettries, speziell von dessen Ausführungen über "Lust" und "Sexualität".


»Aber ebenso vielfältig sind die "tausend Wahnideen", die Dummheiten und Lügen, die mit der "sexuellen Revolution" kolportiert worden sind. Angefangen von den Absonderlichkeiten der orgasmischen Zwangstheorie Wilhelm Reichs bis hin zur handgreiflichen Eiszeit, die heute zwischen allen (vier) Geschlechtern herrscht: Wir haben uns von der Sexualität tyrannisieren lassen und dabei den Eros verloren.«

[Hervorh. B.A.L.]


Und noch einmal - über "die Früchte der sexuellen Revolution":
»Alles war und ist mittlerweile erlaubt, unter richtigem Namen - und unter falschem sowieso. Das Orgasmus-Reich Wilhelm Reichs ist auf- und untergegangen, die Volkshelden der sexuellen Befreiung sind in die Jahre gekommen...«

In einer - affirmativen - Kurzrezension von Miriam Lau: Die neuen Sexfronten, Berlin 2000. In: Neue Zürcher Zeitung, 17./18.2.2001, S.36

[Hervorh. B.A.L.]


siehe auch Jauch über La Mettrie
siehe auch Jauch über Stirner

14./15.08.1999; 17./18.02.2001; 03./04.2001
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Jean-Claude Guillebaud

Die Tyrannei der Lust
Sexualität und Gesellschaft
Aus dem Französischen von Barbara Schaden
München: Luchterhand Literatur-Verlag 1999. 479 S.

S. 45:
»Die sexuelle Revolution des Westens hat Abhängigleiten und Ausgrenzungen abgeschafft... Aber ausserdem hat sie tausend Wahnideen ausgestreut, tausend Dummheiten verbreitet, Lügen kolportiert, die leichtfertig mit der Hinterlassenschaft der Vergangenheit vermengt wurden und die es mit Geduld und Sorgfalt aufzuspüren gilt. Aber wie soll das gelingen? Wahrscheinlich indem wir einen einzigen "Faden" aus diesem beeindruckenden Strang herauslösen und beharrlich vom einen Ende zum anderen verfolgen -- einen Ariadnefaden, der uns den Weg zum Anfang zeigt. Dazu taugt jede Methode. Und dieser Faden, wenn man so sagen kann, ist zunächst ein Eigenname: Wilhelm Reich.«

S. 50f:
»Zu Recht kann man behaupten, Reichs Denken sei von ein paar groben, leicht auffindbaren Vorurteilen beherrscht, Postulaten, die von der Geschichte widerlegt wurden, doch gleichwohl überlebt haben: uneingeschränktes Rousseau'sches Gedankengut, entschiedener Antikapitalismus, Ablehnung der Psychoanalyse, Hass auf die Religionen, eine radikale Wissenschaftsgläubigkeit und ein hemmungsloser Vitalismus. Das wollen wir uns näher betrachten.
[S. 51-68]«

[Hervorh. B.A.L.]

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Elizabeth Heymann(-Gerö)

geb. 1903, war in den dreissiger Jahren bei Otto Fenichel in (Lehr-)Analyse sowie damals einige Jahre verheiratet mit Georg Gerö, der ebenfalls von Fenichel ausgebildet worden war. Sie liess kürzlich, im Rahmen einer biographischen Skizze, ihre Erinnerung an die von ihr direkt miterlebten Ereignisse veröffentlichen, die zum Bruch Reichs mit Fenichel (nach dem Ausschluss Reichs aus der Internationalen Psychoanalytischen Vereinigung 1934) geführt haben (sollen) -- in äusserster Knappheit und auf bemerkenswerte Weise falsch:

»Then, to the surprise of the group, Fenichel came to Prague from Oslo, having quarrelled bitterly with Reich over his Orgon theory and the use of the so-called orgone boxes invented by him in which a patient was to sit in order to be able to achieve optimal sexuality.«

The Psychoanalytic Century: A Biographical Sketch of Elizabeth Gerö-Heymann, based on interviews with Abby Adams-Silvan, Part 1. In: Newsletter IPA (International Psychoanalytic Association), vol. 9 (2000), issue 2


vgl. hierzu:
Sigmund Freud contra Wilhelm Reich
Der 'Fall' Wilhelm Reich
Otto Fenichel - Die 'Rundbriefe'


26.02.2001
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Reimut Reiche

[Stichwort] Orgasmus
In: Wolfgang Mertens / Bruno Waldvogel [Hg.]:
Handbuch psychoanalytischer Grundbegriffe.
Stuttgart: Verlag Kohlhammer, 2000. S.526-529

Reimut Reiche, seit 1990 Habilitierter für das Fachgebiet Sexualwissenschaft, polemisiert noch immer in gleichem Sinne und gleicher Diktion wie in seiner 1968 als Student und SDS-Vorsitzender veröffentlichten Schrift »Sexualität und Klassenkampf« gegen Wilhelm Reich, diesmal jedoch in einem wissenschaftlichen Handbuch:

»Wilhelm Reich hat, aufbauend auf einer politisch-ökonomischen Analyse oder besser: Phantasie der "Funktion des Orgasmus" (1927), eine "sexuelle Revolution" gefordert. Reich zufolge ist "die befriedigte genitale Objektliebe der mächtigste Gegner des Destruktionstriebes". Reich hat alle seine Schriften später vielfach umgeschrieben und dabei die "genitale Objektliebe", die er schon 1927 konkretistisch ausgelegt hatte, zu einer paranoiden Utopie klischiert. Der politische Held der "sexuellen Revolution" sollte die hierfür von ihm geschaffene "Sexpol"-Bewegung sein. Herbert Marcuse hat in "Eros and Civilisation" (1955) eine unvergleichlich viel differenziertere Sexualutopie des vom "Leistungsprinzip" emanzipierten Eros entworfen.«

[Hervorh. B.A.L.]

06.06.2001
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Bernulf Kanitscheider

geb. 1939, ist Philosophieprofessor in Giessen. Er schrieb vor kurzem, zusammen mit Bettina Dessau, das Buch »Von Lust und Freude. Gedanken zu einer hedonistischen Lebensorientierung«, Frankfurt-M/Leipzig: Insel, 2000), in dem u.a. versucht wird, La Mettrie (90-93), de Sade (94-105) und Reich (127f) zu würdigen. In einem späteren Interview äusserte sich Kanitscheider wie folgt:

»Wenn man die tradierten philosophischen Auffassungen, speziell zur Sexualethik, durchmustert, erhält man den Eindruck, dass - mit wenigen Ausnahmen - die Philosophen ein Volk triebschwacher Intellektualisten gewesen sein müssen, bei denen geistige Leistung, kognitives Vermögen, nur unter der Voraussetzung der Trieb-Freiheit [gemeint: Trieb-Verdrängung] möglich war. Nur ganz Wenige - wie z.B. Rousseau oder Hume - betonten die Notwendigkeit der Leidenschaft, um auch im Bereich der Erkenntnis etwas zu erreichen. Erst unter dem Einfluss jüngerer Sexualforscher - unter anderen Wilhelm Reich - hat sich auch in der Philosophie die Auffassung breit gemacht, dass Kulturschaffen und intellektuelle Leistung nicht auf Triebverzicht bzw. Triebunterdrückung aufgebaut sein müssen.«

"Der Körper als biologische Stradivari." Bernulf Kanitscheiders Plädoyer für "aufgeklärten Hedonismus". [Interview] In: MIZ. Materialen und Informationen zur Zeit. Politisches Magazin [für] Konfessionslose und AtheistINNen. Ausgabe 4/02 (Schwerpunktthema: Sinn und Sinnlichkeit. Die frohe Botschaft des Hedonismus)

24.6.2003
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Leo Raditsa

Some Sense About Wilhelm Reich
New York: Philosophical Library 1978, p. 17f
Deutsche Übersetzung von Kevin O'Keeffe:
Wilhelm Reich - eine philosophisch-kritische Betrachtung
Frankfurt/M: Nexus 1978, S. 11

»Ich befasse mich mit dem Werk von Wilhelm Reich seit über zwanzig Jahren. Erstmals las ich ihn Mitte der fünfziger Jahre, kurz nach meinem College-Abschluss. Damals war Reich mehr oder weniger ein verbotener Autor. Seine Bücher, durch Gerichtsbeschluss indiziert, waren nicht im Handel und generell schwer zugänglich. Aus den grösseren Bibliotheken waren sie meist verschwunden; oder sie sind dort erst gar nicht angeschafft worden. Reichs Einfluss auf die radikalen Denker, zu denen ich mich damals hingezogen fühlte - etwa Paul Goodmann oder John Hurkan - war deutlich spürbar. Reich schien überall im Hintergrund zu stehen, als der Denker, mit dem es niemand aufnehmen konnte und der von niemandem überzeugend zurückgewiesen werden konnte. Sogar jene meiner Professoren, deren Toleranz gegenüber fast Allem und Jedem mir als Meinungslosigkeit erschien, platzten mit Hohn und Spott heraus, sobald der Name Reich fiel.«

14.2.2004
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Günter Amendt

geb. 1939, war, wie der o.g. Reimut Reiche, zeitweiliger Vorstandssprecher des SDS und somit ein Wortführer der sog. 68er Studentenbewegung. Amendt wurde oft apostrophiert als "der Sexualaufklärer der 68er Generation". Sein 1970 erstmals erschienenes Buch »Sexfront« war der Bestseller der Bewegung (Gesamtauflage ca. 300'000). Kürzlich erinnerte sich Amendt in einem Vortrag an die alten Zeiten:

»Es ist ein Verdienst der Studentenbewegung, den von den Nazis verfolgten und verfemten Autoren und Lehrern eine Stimme gegeben zu haben: Freud ... "Frankfurter Schule" ... Marx und Engels ... die reformpädagogische Diskussion der Weimarer Republik... Und eben Wilhelm Reich. Ich war nie Reichianer. Dessen penetranter Heterozentrismus samt der dazugehörigen Homophobie stand im Widerspruch zu dem, was ich unter Emanzipation und Befreiung verstand.«
(Hervorh. B.A.L.)


Günter Amendt: "Sexfront". Revisited.
In: Zeitschrift für Sexualforschung, 19,2 (2006), S. 159-172 (164)


01.09.2006
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